Blind bei Tag, Sehend bei Nacht

Für sehende Menschen formen sich Träume aus den Bildern, die sie tagsüber sammeln. Doch wovon träumen eigentlich Blinde?

Text: Beatrix Kouba
Foto: Zoe Opratko

Datum: 5. Februar 2025
Person mit VR-Brille in Pflanzenumgebung

Kannst du überhaupt träumen? Diese Frage bekommt Janine Zehe öfter gestellt. Etwa von Fremden in der U-Bahn. Janine ist blind und das seit ihrer Geburt. Merken Menschen, dass Janine nichts sieht, wollen sie oft wissen, ob das auch im Schlaf so ist.

In der Regel bleibt die gebürtige Hamburgerin eine Antwort schuldig, schließlich geht Höflichkeit anders. Im Gespräch mit ZIMT gibt Janine Auskunft. Dafür sitzt sie allerdings auch nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern im Seminarraum der Hörbücherei des Blinden- und Sehbehindertenverbands in Wien. Hier verleiht und versendet die 45-Jährige üblicherweise Hörbücher und Hörfilme. Mit aufgeweckter Stimme erzählt Janine von ihrem Umzug aus der norddeutschen Stadt nach Wien vor einigen Jahren. Ihr Umfeld nahm ihren Domizilwechsel zunächst skeptisch auf. Neue Stadt, neue Wohnung, neue Wege galt es zu finden. Und alles ohne Augenlicht? Für sehende Menschen eine gewaltige Vorstellung.

Janine gehört zu rund 300.000 Menschen, die in Österreich leben und von Blindheit oder Sehbehinderungen betroffen sind. Das entspricht etwa drei bis vier Prozent der Bevölkerung. Die Ursachen davon sind unterschiedlich. In Janines Fall steckt ein Genfehler dahinter.

Ein Großteil aller Informationen, die tagtäglich über uns hereinbrechen, empfangen wir durch unsere Augen. Unser Gehirn filtert essentielle Daten heraus und verarbeitet sie. Die visuellen Reize prägen unsere nächtlichen Wahrnehmungen. Jeder Mensch träumt, auch wenn er sich nicht daran erinnern kann. Das belegt die physiologische Traumforschung. Wie träumen also Menschen, die tagsüber keine Bilder sammeln?

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