Sommerdepression: Wenn die Sonne die Stimmung trübt

Was tun, wenn die Saison der Unbeschwertheit beschwerlich wird? Antworten für Betroffene und Angehörige.

Text: Isabella Wagner
Fotos: ZIMT Magazin/Canva AI

Datum: 25. Juli 2024

Für wen die warmen Temperaturen eher Niedergeschlagenheit und trübsinnige Gedanken bedeuten als Freude zu bereiten, der leidet vielleicht unter einer saisonal bedingten „Sommerdepression“. Von der Jahreszeit abhängige Depressionen sind nicht nur in den Herbst- und Wintermonaten häufig, sondern können auch im Sommer ein – oftmals unerkannter – Grund für Stimmungstiefs und depressive Zustände sein.

Was es mit der Sommerdepression auf sich hat, und wie ihr eine solche erkennen könnt, erfahrt ihr hier.

Wie erkennt man eine Sommerdepression?

Wer kennt das nicht? Schwitzen in den Öffis, 10 Minuten nach dem Duschen könnte man schon wieder duschen und immer hat man das Gefühl, dass kein Deo der Welt gegen die hartnäckige Hitze ankommt – der Sommer ist für viele von uns mit hitzebedingten Anstrengungen verbunden. Für die meisten überwiegt trotz Belastung durch die Hitze, aber doch die Freude an den warmen Temperaturen. Wir genießen die lauen Sommerabende und ersehnen den Sprung ins kühle Nass nach der Arbeit.

Für von einer Sommerdepression betroffene Menschen ist das jedoch nicht so. Wem die Energie und Motivation für Freizeitaktivitäten im Sommer meist fehlt, und wessen Tage eher von trüben Gedanken und dem Wunsch sich einfach nur zu Hause verkriechen zu wollen, begleitet sind, der leidet laut einem Forscher:innen-Team der Medizinischen Universität Graz vielleicht an einer, durch den Jahreszeitenwechsel, bedingten Depression.

Die saisonale Depression, wie sie im ICD-11 genannt wird, zählt zu den rezidivierenden depressiven Störungen. Wir kennen sie vor allem aus den Wintermonaten als sogenannte Herbst- oder Winterdepression. Während sich die Winterdepression oftmals durch vermehrten Schlaf und gesteigerten Appetit zeigt, können Appetitlosigkeit und schlechter sowie wenig Schlaf, neben getrübter Stimmung, häufige Anzeichen einer “Sommerdepression“ sein, wie die Forscher:innen Magnusson und Boivin in einer Überblicksarbeit zu sommerspezifischen Depressionen herausfanden.

Wie entsteht eine Sommerdepression?

Sonnenlicht hat einen maßgeblichen Einfluss auf unsere Psyche und wie wir uns fühlen. Es beeinflusst viele unserer Körperfunktionen und unser Verhalten. Forscher:innen der Medizinischen Universität Graz vermuten, dass durch die längere Lichteinwirkung und vermehrte UV-Strahlung im Sommer weniger von dem für unseren Schlaf wichtigen Hormon Melatonin im Körper produziert wird. Dies könne sich auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und unser biochemisches Gleichgewicht auswirken.

Gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, beeinflusse es häufig unser Wohlbefinden und unsere Stimmung, was zu innerer Unruhe oder eben auch Depressionen führen könne.

Sonne und verlängerte Lichteinwirkung können sich auf unsere Hormone und damit auch auf unsere psychische Verfassung auswirken.

Einen wichtigen Grund sehen die Psycholog:innen und Psychiater:innen der MedUni Graz auch in veränderten Tagesstrukturen. Im Sommer folgt unser Alltag häufig weniger regelmäßigen Rhythmen – Ferien, Urlaub oder längeres Aufbleiben verändern unsere Tagesstruktur, was sich auf unseren Serotoninspiegel auswirken kann. Serotonin gilt als einer der wichtigsten Botenstoffe im Körper für das Wohlbefinden, sinkt der Spiegel könne das Depressionen zur Folge haben.

Auch im sommerbedingten Freizeitstress sehen Forschende der Icahn School of Medicine in New York eine mögliche Ursache für depressive Verstimmungen im Sommer. Aufgrund der vielen Möglichkeiten, die der Sommer bietet, nehmen wir uns oft zu viel vor oder fühlen uns allgemein von der Erwartung besonders froh und gut gelaunt sein zu müssen unter Druck gesetzt. Das könne, neben dem Stress, den die Hitze ohnehin schon für unseren Organismus bedeutet, eine zusätzliche Belastung darstellen.

Die Forscher:innen an der MedUni Graz gehen davon aus, dass rund 4-6 Prozent der Bevölkerung von Sommerdepressionen betroffen sind. Am häufigsten leiden junge Frauen zwischen 20 und 40 Jahren an der saisonalen Depressionsform. Vor allem Personen, die an einer bipolaren Depression erkrankt sind, weisen eine häufigere Betroffenheit auf, als Menschen, die von unipolaren Depressionen geplagt werden, so das Forscher:innen-Team.

Was unterscheidet eine Sommerdepression von bekannteren Depressionsformen?

Für die Diagnose einer saisonalen Depression ist vor allem die Betrachtung im Zeitverlauf relevant. Von einer Sommerdepression kann man erst dann sprechen, wenn sie über einen Zeitraum von mehreren Jahren, stets um die Sommermonate herum, auftritt und mit dem Beginn der kühleren Jahreszeit wieder abklingt.

Besonders häufig scheinen laut den Forscher:innen der Icahn School of Medicine bei Sommerdepressionen Appetitlosigkeit, schlechter Schlaf und Unruhe und Angstzustände eine Rolle zu spielen.

Wer über einige Jahre hinweg einen, in den Sommermonaten wiederkehrenden Stimmungsabfall, und weitere der genannten Symptome bei sich bemerkt, sollte einen ärztlichen Check-Up in Betracht ziehen.

Wie erkenne ich eine Sommerdepression?

Eine Depression zu erkennen ist oft für Betroffene selbst, wie auch für Angehörige nicht leicht. Wir haben für dich häufige Anzeichen einer Sommerdepression noch einmal kurz im Infokästchen rechts zusammengefasst.  

Vor allem Appetitlosigkeit, schlechter Schlaf, Unruhe und Angstzustände haben sich laut den in diesem Beitrag zitierten Forscher:innen der Icahn School of Medicine als wichtige Hinweise für saisonal bedingte Sommerdepression erwiesen.

Wichtig für eine Diagnose ist dabei, dass die Symptome mehrere Jahre hintereinander auftreten.

 

Anzeichen einer Sommerdepression:

  • häufige Müdigkeit und Erschöpfung
  • fehlende Energie und Motivation für Freizeitaktivitäten
  • wenig und schlechter Schlaf
  • Unruhe und Angstzustände
  • Appetitlosigkeit
  • schnellere Gereiztheit
  • die Person äußert Suizidgedanken
  • die depressive Verstimmung tritt regelmäßig mit Beginn des Sommers auf

Wie wird eine Sommerdepression behandelt?

Eine Sommerdepression wird grundsätzlich auf dieselbe Art behandelt, wie andere bekanntere Depressionsformen. Antidepressiva (wie zum Beispiel Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und Gesprächstherapie in Kombination haben sich als am wirksamsten erwiesen.

Zusätzlich rät Nina Dalkner, eine der Psychologin der MedUni Graz dazu, darauf zu achten, stets zur selben Uhrzeit aufzustehen, ins Bett zu gehen und einen strukturierten Tagesablauf einzuhalten. Auch sportliche Aktivitäten und Entspannungsübungen können den biologischen Rhythmus und das innere Gleichgewicht unterstützen.

Wie können Angehörige und Freunde, Betroffenen bei einer (Sommer-)Depression helfen?

Als Außenstehende:r ist es oft nicht leicht zu erkennen, ob jemand in der Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis einfach nur schlechte Stimmung hat oder tatsächlich unter Depressionen leidet. Oft ist man als Angehörige:r oder Freund:in ratlos, wie man helfen kann oder hat Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun.

Sommerdepressionen zeigen sich vor allem an Schlafstörungen, Appetitlosigkeit sowie Unruhe und Angstzuständen.
Wir haben ein paar Hinweise gesammelt, was ihr tun könnt, wenn ihr das Gefühl habt, dass jemand in eurem Umfeld unter (Sommer-)Depressionen leidet.

Achtet zunächst darauf, welches Verhalten ihr bei der potentiell betroffenen Person wahrnehmt: Wirkt die Person bereits seit längerem bedrückt und niedergeschlagen? Scheint sie häufig müde und erschöpft zu sein und fehlt ihr die Energie oder Motivation für Unternehmungen? Berichtet sie von Schlafstörungen oder Stress und Überforderung?

Wenn ihr das Gefühl habt, dass mehrere dieser Beschreibungen auf eure:n Angehörige:n, Freund:in oder Bekannte:n zutreffen, dann zögert nicht und sucht behutsam das Gespräch.

Wie kann ich mich als Angehörige:r oder Freund:in verhalten?

 

  • erklären, warum man sich Sorgen macht und was einem am Verhalten der betroffenen Person aufgefallen ist
  • Hilfe anbieten und nachfragen, wie man am besten unterstützen kann
  • nicht drängen, sondern Interesse, Verständnis und Anteilnahme zeigen
  • Entscheidungshilfen geben
  • Herausforderungen durchsprechen
  • Aufgaben übernehmen und entlasten
  • Zeit verbringen und da sein ohne große Anforderungen zu stellen
  • keine gutgemeinten Ratschläge wie „Kopf hoch“ oder „Das wird schon wieder“ geben – damit fühlen sich Betroffene häufig zusätzlich unter Druck gesetzt
  • anbieten, gemeinsam nach professioneller Hilfe zu suchen

 

Wichtig zu beachten!

Ihr seid keine Therapeut:innen und habt eigene Grenzen! Achtet bei der Unterstützung immer auch auf euch selbst. Ihr könnt nur soweit helfen, dass ihr für die betroffene Person da seid und bei Aufgaben und Anforderungen unterstützt.

Weitere Informationen findet ihr auch in unserem Beitrag „Hilfe Depression – Was kann ich tun?“

Sätze, die ihr zu Betroffenen sagen könnt: 

„Ich bin für dich da“

„Ich kann dir dabei helfen professionelle Hilfe zu finden“ 

„Du bist nicht allein“

Sätze, die man zu Betroffenen nicht sagen sollte:  

„Das geht wieder vorbei“ 

„Ich habe auch öfter schlechte Laune“ 

„Du musst einfach ein bisschen mehr rausgehen/Yoga machen/dich entspannen“

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige bei Depressionen: 

Psychiatrische Soforthilfe – Psychosoziale Dienste Wien

Not- und Krisendienst:
+43 1
31330
24 Stunden täglich

www.psd-wien.at

Sorgenhotline Wien – Psychosoziale Dienste Wien 

Die Sorgenhotline Wien ist eine erste Anlaufstelle bei psychosozialen Belastungen für alle Menschen in Wien.
+43 1 4000 5 3000
Mo-So 8-20 Uhr

https://psd-wien.at/sorgenhotline-wien

Helpline vom Berufsverband Österreichischer PsychologInnen

+43 1 504 8000
Mo-Do 9-13 Uhr 

https://www.boep.or.at/aktuelles/detail?news_item_id=5b83a3d03c15c80788000001

 

Weitere Informationen zu Depression für Betroffene und Angehörige: 

https://www.erstehilfefuerdieseele.at/info/krankheitsbilder/depression/ – Informationsseite von pro mente zum Krankheitsbild Depression 

https://psd-wien.at/information/depression – Informationsseite des Psychosozialen Dienst zum Krankheitsbild Depression 

https://psychische-hilfe.wien.gv.at/beratung-behandlung-und-therapie-bei-depression-und-angststoerung/Informationen und Hilfsangebote in Wien bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen 

https://www.hpe.at/de/Informationen der „Hilfe für Angehörige (hpe)“ für Angehörige von Personen, die von Depressionen betroffen sind 

https://www.janssenwithme.de/de-de/gemeinsam-gegen-depression/leben-mit-depression/fuer-angehoerige – Umfassende Informationen für von Depressionen Betroffene und Angehörige des forschenden Pharmaunternehmens Janssen Cilag GmbH