Alles Humbug?
Antidepressiva stehen in Verruf, schädlich zu sein. Der Wiener Psychiater und Forscher Siegfried Kasper spricht mit ZIMT darüber, was hilft, wenn scheinbar nichts mehr hilft.
Text: Anna Wintersteller Illustrationen: Max Klingenburg
Sie beschäftigen sich seit gut 50 Jahren mit psychischen Erkrankungen. Was war für Sie der größte Fortschritt in der Psychiatrie?
Als ich begonnen habe, ordneten sich Behandelnde entweder dem „Biologie-Lager” oder dem „Psycho-Lager” zu. Die einen sahen die Ursache der Depression, vereinfacht gesagt, allein bei einem Ungleichgewicht der Hormone, während die anderen die Krankheit auf psychosoziale Faktoren wie das soziale Umfeld und persönliche Erfahrungen zurückführten. Beide Seiten haben sich wild bekämpft. Für mich war es immer wichtig, beide Betrachtungsweisen zu sehen. Die Kunst bei der Behandlung ist, festzustellen, wo der Schwerpunkt liegt. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass Patient:innen selbst nie Schuld an ihren Depressionen tragen. Depressionen sind ungefähr so häufig wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.