Burnout wirkt wie ein Türöffner
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung glaubt akut Burnout-gefährdet zu sein. Die Ursachen davon liegen nicht allein in der Erwerbsarbeit, erklärt der Psychologe Timo Schiele im Gespräch mit ZIMT.
Text: Dagmar Weidinger Illustrationen: Max Klingenburg
Wer sich mit Burnout beschäftigt, stößt auf beeindruckende Zahlen: In einer repräsentativen Studie der Krankenkasse Pronova, durchgeführt in Deutschland 2023, gaben über 60 Prozent der Befragten an, akut Burnout-gefährdet zu sein und ein Drittel bereits betroffen. Trotz dieser epidemischen Ausbreitung spricht man nach wie vor nicht von einer psychischen Erkrankung – warum nicht?
Der Begriff Burnout geht zurück in die 1970er Jahre; es gibt mittlerweile unglaublich viel Forschung zu dem Thema. Dennoch ist die Definitionslage nach wie vor nicht ausreichend klar. Die aktuelle und 11. Ausgabe des ICD, also des internationalen Klassifikationssystems für Krankheiten, definiert das Burnout-Syndrom als einen „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst“. Erstmals sind dafür konkrete Kriterien erfasst worden. Dazu gehören ein Gefühl des Ausgebranntseins, eine Zunahme an mentaler Distanz oder Zynismus zur Arbeit und ein verringertes berufliches Leistungsvermögen. Den Status einer Erkrankung im engeren Sinne hat das Burnout-Syndrom nach wie vor nicht erhalten. Ich bin aber froh, dass Burnout überhaupt Eingang in das ICD gefunden hat. Das schärft das Bewusstsein und bewirkt hoffentlich, dass Betroffene leichter den Zugang zu helfenden Systemen finden. Wir machen in der Klinik immer wieder die Erfahrung, dass Menschen sich subjektiv nicht als depressiv erleben, sehr wohl aber mit der Beschreibung des Burnout etwas anfangen können. In den Gesprächen stellt sich dann heraus, dass klinisch doch eine Depression vorhanden ist. Der Burnout wirkt also wie ein Türöffner.