Nur das kann ich nicht

Mavie Wallner ist freischaffende Künstlerin. In ihrem Gedicht „Nur das kann ich nicht“ geht es um Grenzen in ihrer Mutter-Kind-Beziehung.

Gedicht: Mavie Wallner
Foto: Daniel Nuderscher

Datum: 27. Juni 2022

Ich kann eine Ausstellung eröffnen

kann reisen,

kann alle umreißen,

Kann Verbindungen buchen,

neue Sprachen kann ich lernen

und sogar den besten Essay schreiben.

Kann die Frau zum Gericht begleiten

und dir eine neue Melodie vorsingen,

kann ohne Angst aus dem Flugzeug springen

und das neue Programm installieren, sodass ich es auch dem Nachbarn zeigen kann.

Kann danach hohe Berge besteigen,

Vorträge auf spanisch halten,

kann Anekdoten erzählen.

Kann schneidern, mähen, kann sprayen, malen und filtern, auch ohne Sieb,

kann kompensieren, kann mich auch nach vielen Stunden konzentrieren,

kann dich aufnehmen, wenn du müde bist und dir ein Kissen unter deinem Kopf legen,

bevor du danach fragst und dich sofort verstehen,

aber mir meiner Mutter einfach nur reden.

Nur das kann ich nicht.

“Man hört ja oft den Satz, dass jeder ein ‘Packerl’ zu tragen hat, versucht deshalb einfach durchzutauchen, trotz wenig familiärer Unterstützung Leistung zu bringen und das Leben zu genießen. Das Gedicht “Nur das kann ich nicht” ist entstanden, als ich einen dieser Erfolge mit meiner Mutter teilen wollte und bemerkte, in dieser Kommunikation an meine Grenzen zu stoßen.”

Mavie Wallner ist freischaffende Künstlerin. Die gebürtige Tirolerin ist eigentlich studierte Politikwissenschaftlerin und wird bald zum ersten Mal Mutter. In ihren Malereien portraitiert sie am liebsten ganz gewöhnliche Menschen in ihren ganz gewöhnlichen Alltagssituationen. Ihr Projekt Mutterlos setzt sich mit (fehlenden) Eltern-Kind-Beziehungen auseinander.