Eine Krise zum Abschluss
Pünktlich zum Ende des Studiums sehen sich Studierende häufig mit psychischen Belastungen konfrontiert. Woran liegt das?
Text: Maria Prchal
Collage: Jana Reininger da Rosa/Ryan Noel

Jedes Mal war es das gleiche Ritual zum Ende der Semesterferien: Vorlesungsverzeichnis aufrufen und Lehrveranstaltungen fürs kommende Semester aussuchen. Im Laufe des Studiums hat es sich schon zu einer eigenen Wissenschaft entwickelt, herauszufinden, welche Module fehlen, welche Lehrenden kulant sind, wo es noch Plätze gibt. Doch dieses Mal ist nur mehr ein Seminar übrig: Vom Bildschirm starrt einen der letzte Punkt im Prüfungspass an, der noch nicht abgehakt ist. Alles andere ist absolviert. Langsam dämmert es einem: Das ist die letzte Lehrveranstaltung des Studiums. Danach muss ich nie wieder das Vorlesungsverzeichnis aufrufen, nie wieder für Prüfungen lernen, nie wieder auf Noten warten. Es geht jetzt wirklich dem Ende zu. Doch statt Erleichterung findet sich plötzlich ein Kloß im Hals und Panik macht sich breit.
Um die psychische Gesundheit der Studierenden in Österreich ist es nicht gut bestellt. Insgesamt geben 44 Prozent ihr Wohlbefinden als niedrig an, wie eine Erhebung von Eurostudent zeigt. Ab 25 Jahren erreicht es einen absoluten Tiefpunkt und Studierende in fortgeschrittenen Semestern melden sich auch häufiger bei der Psychologischen Studierendenberatung, wie deren Tätigkeitsbericht darlegt. Und das, obwohl der Studienabschluss der Moment war, der jahrelang als hehres Ziel in weiter Ferne schwebte. Für viele frischgebackene Ex-Studierende folgen auf die Freude über den Abschluss die Ängste vor der Zukunft. Was steckt dahinter?
Sonia geht in ihrem Master-Studium der Europäischen Ethnologie an der Universität Wien voll auf, sie liebt das Fach, schätzt ihre Kolleg:innen und Lehrenden und hat nebenbei begonnen, als Schreibtrainerin zu arbeiten. Doch vom ersten Semester an schwebte über ihrem Kopf die Frage: Und was dann? Dass das Studium nur zwei Jahre dauern würde, ließ sie nicht los. „Ich habe große Angst vor dieser Veränderung. Ich bin jetzt so glücklich. Wie kann es sich zum Besseren ändern?”, beschreibt die 25-Jährige ihre Gefühle. Egal ob sie im Seminarraum sitzt, in der Bibliothek lernt oder sich über Arbeitsaufgaben den Kopf zerbricht, im Hinterkopf ist immer der Gedanke, dass sie gerade eben ihre letzten Momente im Studium erlebt. Nach dem nächsten Sommer würde sie einfach nicht wissen, wie es weiter geht. Sonia will an der Universität bleiben, denn in diesem Umfeld fühlt sie sich wohl. Am liebsten würde die gebürtige Slowakin in Wien weiter arbeiten, aber ob sie das schafft, ist ungewiss. Es gibt kaum Stellen, nahezu alle befristet. Am Ende ihres Studiums resümiert Sonia: „Man ist nicht auf den Einstieg in die Arbeitswelt vorbereitet.”

Das Ende des Studiums reißt viele Studierende in ein tiefes Loch.
Damit ist sie nicht alleine. Auch beim 24-jährigen Paul* steht der Abschluss kurz vor der Tür: „Ich überlege viel, was ich jetzt machen werde”, so der Grazer Student. Momentan arbeitet er bereits in einem Labor an der naturwissenschaftlichen Fakultät. Weil er damit seinen Karrierezielen schon näher ist, sei er vermutlich auch weniger nervös als viele seiner Studienkolleg:innen, meint er. Aber ihre Ängste würden auf ihn abfärben und die Unsicherheit bleibt: Findet er einen guten Beruf in seinem Bereich, mit dem er auch die hohen Ziele erreicht, die er sich gesteckt hat?
Tiefes Loch nach der Masterarbeit
„Es ist eine Situation, die Neuorientierung fordert, den Abschied vom universitären Leben. Für viele stellt sich dann die Frage, was sie im Leben wollen”, erzählt Franz Oberlehner, Leiter der Psychologischen Studierendenberatung Wien, von den Sorgen und Ängsten, mit denen baldige Absolvent:innen zu ihnen kommen. Meistens stehe eine Abschlussarbeit an und der Druck steigt, wie der Vorsitzende der ÖH-Salzburg Cedric Keller weiß. „Das ist eine sehr spezielle Stresssituation, der man vorher noch nicht begegnet ist.”
Auch die Wiener Psychotherapeutin Silvia Kessler-Eckhart kann von vielen Klient:innen berichten, die am Ende des Studiums in einer Krise gelandet sind. Nach langer Zeit würden die jungen Menschen erstmals wieder zum Innehalten kommen, und sich fragen, was sie eigentlich vom Leben wollen. „Das kommt oft zu kurz, wenn man immer dem nächsten Ziel, der nächsten Prüfung entgegenhetzt.”
Kessler-Eckhart erzählt von Klient:innen, die in ein tiefes Loch fallen, nachdem die Masterarbeit abgeschlossen ist: „Durch die permanente Leistung spüren sie sich nicht mehr und verlieren den Kontakt zu den eigenen Gefühlen und zum Körper. Und wenn das Ganze dann vorbei ist, wenn die Masterarbeit fertig ist, erst dann wird die Erschöpfung merkbar. Und dann kommt manchmal große Orientierungslosigkeit.“
Oberlehner vergleicht die Endphase mit dem Studienanfang, das sei ein neuer Abschnitt, man erlebt viel, zieht vielleicht in eine WG, ist in eine neue Gemeinschaft eingebunden. „Und dann so mit Mitte 20 bröckelt das weg, die Mitbewohner:innen ziehen aus, die Studienkolleg:innen schließen ab, finden einen Job. Viele fangen an, sich hinten nach zu fühlen.” Zusätzlich steige der Druck der Eltern und das, was bisher als stabile Außenwelt empfunden wurde, breche weg.
Für Paul kam die Erkenntnis schleichend, dass jetzt ein Lebensabschnitt zu Ende geht. Irgendwann sei der Punkt gekommen, wo ihn andere als Wissenschafter gesehen hätten, nicht mehr als Student. Und plötzlich habe er sich umgesehen und erkannt, wie stark er und sein Umfeld sich seit seinem Studienbeginn verändert haben.
25-29-jährige Studierendengruppe mit geringstem Wohlbefinden
Die Statistik spricht eine klare Sprache: Fast die Hälfte der Studierenden gibt in einer Erhebung von Eurostudent ein geringes Wohlbefinden an. Am schlechtesten geht es der Gruppe zwischen 25-, und 29-Jahren. Und auch mit dem Studienabschluss lichtet sich dieser Nebel nicht immer. Zur psychischen Gesundheit von Absolvent:innen fehlen allerdings konkrete Zahlen, und das, obwohl sie hochschulpolitisch eigentlich sehr relevant wären, meint der Salzburger ÖH-Vorsitzende Keller. Denn sie seien ja die „Botschafter:innen der Hochschulen”.
Studierende, die sich im fünften Semester oder darüber befinden, sind die mit Abstand größte Gruppe, die bei der Psychologischen Studierendenberatung anklopft, wie deren Tätigkeitsbericht zeigt. Das können Personen sein, die kurz vor dem Abschluss stehen, aber auch solche, die abgebrochen haben und wieder einsteigen wollen. Ein typisches Beispiel seien Studierende, die in der Endphase zu arbeiten beginnen, den Kontakt zur Uni verlieren und dann später noch einmal versuchen, abzuschließen. Damit ihnen das gelingt, reicht es nicht, ihnen die wichtigen Fristen zu nennen und bei der Bürokratie zu unterstützen – es gehe darum, auf ihre individuellen Belastungen einzugehen, wie Betreuungspflichten oder psychische Probleme.
Kessler-Eckhart beobachtet bei Studierenden, die ihre Mittzwanziger erreichen, und bei Absolvent:innen häufig eine sogenannte Quarter-Life-Crisis. Hier lösen sich die jungen Menschen vom Elternhaus und beginnen neue Wege einzuschlagen, gerade, wenn das Studium abgeschlossen ist. „Das ist eine Lebensphase, in der man den Grundstein dafür legt, wie es im Leben dann weitergeht. Und das ist natürlich krisenanfällig, aber auch sehr spannend.“ Auch Sonia findet sich in diesem Begriff wieder: „Als ich gehört habe, was damit gemeint ist, war mir klar, das bin ich.” Nicht nur sie befindet sich in einer Zeit der großen Entscheidungen, ein Loslösen von dem, was man bisher kannte. Auch Paul muss große Entscheidungen treffen – bleibt er in Graz, obwohl seine Freundin in Niederösterreich wohnt, schafft er es, trotz schwierigem Stellenmarkt in der Branche zu bleiben?
„Ein bisschen Angst vor dem Erwachsenenleben”
Der 24-Jährige schließt bald seinen Master ab. Bis spätnachts steht er dafür im Labor. An der Werkbank und in der Mittagspause schleicht sich oft aber auch ein anderes Thema als die aktuellen Aufgaben bei ihm und seinen Kolleg:innen ein: Was passiert eigentlich, wenn sie mit ihrem Studium fertig sind? Es sind zwar immer nur kurze Gespräche, meint Paul, doch die im Hintergrund schwelende Nervosität seiner Kolleg:innen stecke ihn an. Im Gegensatz zu manch anderen hat er bereits während des Studiums einen fachspezifischen Job gefunden, doch ob er diesen nach seinem Abschluss Vollzeit weitermachen kann und will, ist nicht klar. Die Sorge darum, nicht langfristig auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen, bleibt.

Die Angst, ob der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt, ist groß. Da helfen auch Jobs während des Studiums wenig.
„Viele haben Angst, keinen Job zu finden”, erzählt auch Oberlehner von der Studierendenberatung. Derweil sollte die Statistik zur Erwerbstätigkeit von Absolvent:innen beruhigen. Die wenigsten sind nach dem Abschluss arbeitslos und das Gehalt bewegt sich bei Akademiker:innen in Österreich auch über dem Durchschnitt.
Gleichzeitig kämen auch genug in die Beratung, die sich eigentlich keine Sorgen machen müssten, beispielsweise Medizinstudierende. Oberlehner: „Die haben aber die Belastungen schon gesehen, die dann auf sie im Job warten und fragen sich, ob sie das dann wirklich machen wollen.” Denn, nur weil viele Absolvent:innen arbeiten, heißt das nicht, dass sie auch zufrieden sind. Es komme zu einem Mentalitätswechsel, bestätigt auch Kessler-Eckhart. Die jetzige junge Generation habe gesehen, wie die vor ihnen ausgebrannt sind. „Deswegen haben viele auch ein bisschen Angst vor dem Erwachsenenleben”, sagt Oberlehner.
ÖH Salzburg fordert Beihilfensystem, das zum Leben reicht
Finanzielle Belastungen spitzen sich mit dem Studienende zu, wenn eventuelle Beihilfen wegfallen und der Studienbeitrag fällig wird. „Die Studienbeitragspflicht und Stipendien an der Regelstudienzeit von sechs Semestern für den Bachelor auszurichten, trifft in vielen Fällen nicht mehr die studentische Lebensrealität. Wenn man sich daran nicht mehr orientieren würde, wäre den Studierenden schon geholfen. Das andere wäre, in Österreich ein Beihilfensystem zu schaffen, das zum Leben reicht“, fordert Keller von der ÖH Salzburg. Die Studienbeitragspflicht in Österreich ist politisch schon lange ein heißes Thema. Eingeführt wurde sie mit Wintersemester 2001 unter Schwarz-Blau I. 2009/10 trat dann unter einer Rot-Schwarzen-Koalition die Befreiung für Studierende unter der sogenannten Mindeststudienzeit plus zwei Toleranzsemestern in Kraft. Wer also länger studiert, zahlt. Die Idee dahinter war es, die Studienzeit zu verkürzen, denn Studienabschlüsse sind die harte Währung in der Hochschulpolitik. Von ihnen hängt die Finanzierung ab: Höhere Abschlussquoten bedeuten mehr Mittel.
Vor allem die ÖH kritisiert, dass hier ein Dilemma entstehe: Müssen die Studierenden mehr arbeiten, beispielsweise um den Studienbeitrag zahlen zu können, können sie weniger Zeit für das Studium aufwenden und brauchen dementsprechend länger. Ob Studierende abschließen, hänge außerdem maßgeblich von ihrer psychischen Gesundheit ab, wie die Autor:innen des Eurostudent-Berichts betonen. Ein Teufelskreis, denn wie sollen sie abschließen, wenn der Abschluss sie belastet? Unterstützungsprogramme für Personen am Studienende gebe es viele, meint der ÖH-Vorsitzende Keller – von Schreibtrainings bis zu Zeitmanagement-Workshops. Aber: „An die psychische Begleitung wird zu wenig gedacht.“
Wenn der Vollzeit-Job nicht zum Leben reicht
Die finanziellen Sorgen der Studierenden projizieren sich auch in die Zukunft „Der Gedanke, dass ich in 30 Jahren in einer 30-Quadratmeter-Wohnung wohne, die ich mir mit einem Vollzeitjob gerade so leisten kann, macht mir Angst. Daher kommt dieser Leistungsgedanke bei mir”, sagt der 24-jährige Paul. „Dieses klassische Bild von der 40-Stunden-Woche, mit der ich dann genug Geld habe, um mir ein Auto zu kaufen und ein Haus, das ist vorbei.“ Sonia beschreibt das so: „Meine größte Sorge ist, ob ich mit meinen Interessen und Träumen wirklich so viel verdiene, dass ich zufrieden bin. Nach dem Studium kommt der Test, ob sich das ausgeht.“ Sie plant bereits, sich neben einer Anstellung auf der Universität noch ein zweites Standbein aufzubauen. Zur Absicherung. Die Vollzeit-Anstellung muss bei Paul auf jeden Fall direkt auf das Studium folgen, meint er. Eine längere Pause will er sich nachher nicht gönnen.
Druck von Außen und von Innen
Aber auch der 24-Jährige brauchte in seinem Studium einmal Abstand. Nach einem Todesfall setzte er ein Semester aus. Es sei eine Herausforderung gewesen „wieder in die Spur zu kommen” und den Glauben daran, das Studium auch wirklich zu schaffen, nicht zu verlieren.

Psychologische Unterstützung, wie sie Franz Oberlehner, Leiter der Psychologischen Studierendenberatung Wien oder Psychotherapeutin Kessler-Eckhart bieten, kommt im Studienalltag häufig zu kurz. (Foto Kessler-Eckhart: Jasmine Bannauer)
Psychotherapeutin Kessler-Eckhart betont, wie wichtig es ist, die eigenen Gefühle zuzulassen und sie nicht der Zielstrebigkeit zuliebe „niederzubügeln”. „Das Ziel, die eigenen Potenziale auszuschöpfen, kann etwas Positives sein, aber andererseits macht es auch viel internen Druck.“ Druck würden sich die Studierenden nicht nur selbst aussetzen, er kommt auch von außen, meint die Psychotherapeutin. Das hätte sich in den vergangenen Jahren zugespitzt: „Es bleibt weniger Platz zum Ausprobieren. So, wie die Studien aufgebaut sind, wie die ECTS zu erreichen sind. Es ist von Beginn an sehr leistungs-, und zielorientiert.“ Junge Menschen hätten das Gefühl, sehr früh wissen zu müssen, was sie wollen. Das verstärke sich noch einmal mit Mitte 20 und mit dem Studienabschluss – so auch bei Sonia. Wenn sie ihre Freund:innen dabei sieht, wie sie heiraten oder in Vollzeitjobs hineinstarten, wenn sie über Umzüge oder neue Studien sprechen, bekommt die 25-Jährige Angst vor dem großen, runden Geburtstag, sie habe das Gefühl: „Wenn ich mit 30 noch studiere, bin ich eigentlich schon gescheitert, weil dann sollte man doch schon Karriere haben und ein Zuhause und Kinder.”
Strategien aus der Krise
Nebenbei sorgen natürlich auch die großen, globalen Krisen für Sorgen, beispielsweise ökonomische und politische Entwicklungen oder die Klimakrise. 55,5 Prozent der Studierenden fühlen sich davon belastet, ein Drittel sieht dadurch ihre Studienleistungen beeinträchtigt, wie eine neue Erhebung von Studo und Instahelp in Deutschland und Österreich zeigt. Sonia macht der Krieg in der Ukraine am meisten Sorge: „Was, wenn ich mein Leben jetzt plane und in fünf Jahren plötzlich alles anders ist?”, fragt sie sich. „Die Sinnfrage drängt sich immer mehr auf”, fasst es auch Oberlehner zusammen: Was gilt es überhaupt noch zu tun, wenn die Welt untergeht? Die eine Gruppe strengt sich besonders an, der anderen wird alles egal, die Kluft werde immer tiefer. Psychotherapeutin Kessler-Eckhart versucht ihren Klient:innen aus dieser Ohnmacht zu helfen, indem sie ihnen zeigt, wo ihre eigene Handlungsmacht liegt.
Die eigenen Kompetenzen sehen lernen
Um diese Handlungsmacht zu entdecken, ist auch die Erkenntnis förderlich, nicht alleine zu sein. In den vergangenen Jahren sei die Akzeptanz von und Bereitschaft für psychologische Hilfe gewachsen, wie auch die Instahelp-, und Studo-Erhebung zeigt. Auch Sonia hilft es, über ihre Sorgen zu sprechen – etwa mit ihren Eltern oder im Netzwerk zur Förderung von Kultur-, und Sozialwissenschafter:innen „Kontexte”, wo sie gemeinsam mit den anderen Mitgliedern eigene Zweifel und Unsicherheiten beleuchtet. Laut dem Vereinsvorstand seien Netzwerke essentiell, um Umbrüche wie den Studienabschluss zu überstehen. Denn für viele sei der Abschluss wie ein Sprung ins kalte Wasser, für manche sogar wie in ein Haifischbecken.
Der Alumniclub der Universität Wien empfiehlt, die Unterstützungsangebote der Universitäten anzunehmen, um die im Studium erworbenen Fähigkeiten klar zu erkennen und so einzusetzen, dass sie „auf dem beruflichen Findungsweg als Orientierungspunkte” dienen. Er plädiert außerdem dafür, auch „mutig alternative Karrierewege in Betracht zu ziehen, die von konventionellen Pfaden abweichen.”
Auch Uniport, der Karriereservice der Universität Wien, dient als so ein Unterstützungsangebot. Das dortige Team hilft bei der Entwicklung einer Perspektive und dabei, bisherige, eigene Erfolge anzuerkennen. Denn auch Oberlehner erzählt, dass Studierende am Ende des Studiums oft das Gefühl haben, sie hätten ja eigentlich gar keine Kompetenzen. Das ist etwas, das auch der Verein Kontexte und der Alumniclub berichten. Studierende hätten häufig weder gelernt, ihre Expertise zu erkennen, noch sie gut darzustellen, so der Tenor. Aber, so beruhigt Andrea Waldbrunner, Teamleiterin bei Uniport, existent seien sie auf jeden Fall: „Um ein Studium zu absolvieren, greift jede:r auf Ressourcen zurück und entwickelt laufend neue. Man lernt also buchstäblich fürs Leben, weil der Pool an Ressourcen und Kompetenzen immer größer wird.“ Oft trete dann die Erkenntnis ein: „Hey, ich starte nicht bei Null. Ich habe schon viel geschafft. Jetzt meistere ich auch den nächsten Schritt.”
Paul blickt seinem Studienabschluss mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen: „Ich weiß, dass ich immer ein bisschen sentimental bin, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht.” Aber auch die Freude wird nicht fern sein: „Ich habe dann nämlich auch gleichzeitig die Freiheit zu sagen: Jetzt hab ich wirklich keine Bindung und Verpflichtungen mehr.“ Sonia hofft, sich ebenfalls freuen zu können, und „nicht nur das Ende von diesem Lebensabschnitt sehen.”
Diese Offenheit gegenüber dem Ende und vor dem Neuem kann sehr entlastend sein. Psychotherapeutin Kessler-Eckhart empfiehlt: „Man kann auch ein Ziel erreichen, ohne das schon mit Anfang 20 zu planen. Man darf das Leben ein bisschen auf sich zukommen lassen.“
*Name von Redaktion geändert
Quellen und weiterführende Informationen
- Absolvent:innentracking: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bildung/hochschulabsolventinnen/absolventinnen-tracking
- Eurograduate-Bericht: https://www.eurograduate.eu/results
- Eurostudent-Bericht: https://www.eurostudent.eu/download_files/documents/TM_wellbeing_mentalhealth.pdf
- Psychologische Studierendenberatung: https://www.eurostudent.eu/download_files/documents/TM_wellbeing_mentalhealth.pdf
- Studierenden Sozialerhebung 2023: https://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/Sola23/Studierenden-Sozialerhebung-2023—Kernbericht.pdf