Im Rauschen der Blätter pfeift der Kopf leiser
Text: Miriam Schwienbacher
Foto: Zoe Opratko
In der Nähe des Sportzentrums Marswiese im 17. Wiener Gemeindebezirk schlängelt sich ein Trampelpfad seinen Weg durch das Gestrüpp. Vorbei an Buchen, Eichen und Birken, die wie Riesen auf den frisch sprießenden Bärlauch hinunterblicken. Angelika spaziert gemächlich voraus. Hinter ihr: Dorota und Eva, die in Wirklichkeit anders heißt. Angelika bleibt stehen. Zwei Baumstämme liegen am Wegrand. Sie steigt auf einen der Stämme und balanciert darüber – langsam, in ihrem Tempo. Eva und Dorota machen es ihr nach.
Sie setzen ihre Füße jeweils an ein Ende des Baumstamms und gehen behutsam aufeinander zu. Schritt für Schritt. Als sie nahe beieinander stehen, halten sie sich an den Händen, um das Gleichgewicht zu finden. Noch ein Schritt – dann umarmen sie sich, obwohl sie sich vorher noch nie begegnet sind. Sie haben sich verbunden gefühlt und ihrem spontanen Bedürfnis
nach Nähe nachgegeben.
Beim Waldbaden geht es darum, sich selbst und den Wald bewusst wahrzunehmen. Die Natur sorgt für Entspannung. In einer Zeit, in der große Teile der Gesellschaft lange Stunden vorm Computer sitzen, von einer Deadline zur nächsten hasten und psychische Belastungen weit verbreitet sind, klingt das vielversprechend.
Die Idee des Waldbadens hat in Japan eine besondere Bedeutung. Für dieses Shinrin Yoku gibt es dort bereits seit den 1980er-Jahren einen eigenen Begriff. Erst seit den 2010er-Jahren ist die deutschsprachige Übersetzung – also das Wort Waldbaden – auch hierzulande populär. In manchen Ländern ist die Natur bereits ins Gesundheitssystem eingebunden: In Kanada können Ärzt:innen ihren Patient:innen Aufenthalte in der Natur verschreiben.
Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz bieten einige Kliniken Waldbaden mittlerweile als organisierte Behandlungsmöglichkeit an. Eingesetzt wird es vor allem bei Depressionen, psychosomatischen Beschwerden und Erschöpfung. Doch wie weit reichen die Chancen des Waldes? Können sie andere Behandlungen sogar ersetzen?
