Zwischen den Räumen: queere Menschen in der Obdachlosigkeit
Queeren, wohnungslosen Menschen verwehren binäre Strukturen den Zugang zu sicheren Räumen. Fehlende Unterstützung und gesellschaftliche Ausgrenzung erschweren die Suche nach einem Zuhause zusätzlich.
Text: Beatrix Kouba
Bilder: ZIMT Magazin/Canva/teilweise mit KI generiert

Februar in Wien. Die letzten Monate waren kalt. Meist ist es grau, meist zieht es. 10.000 Menschen in der Stadt können bei Schlechtwetter nicht einfach heimgehen. Weitere 10.000 lebten laut Statistik Austria im Jahr 2023 obdach- und wohnungslos in den restlichen Bundesländern. Nicht einberechnet sind hier jene Menschen, die verdeckt obdachlos leben. Das bedeutet: Sie haben zwar eine Meldeadresse, verbergen aber ihre Situation. Sie schlafen bei Bekannten auf dem Sofa oder harren in gewaltvollen, unsicheren Beziehungen aus. Dazu zählen oft Frauen, vernachlässigte Jugendliche oder queere Menschen, so ein Forschungsbericht der Wiener Wohnungslosenhilfe (WWH). Die Wohnungslosigkeit belastet auch die Psyche. Mangelnde Privatsphäre verstärkt diese psychische Belastung. Fehlende Unterstützung aus der Familie, Diskriminierung und Zwangsoutings bei Notschlafstellen: Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft stemmen während ihrer Obdachlosigkeit andere Hürden als die restlichen Betroffenen. Die Zahl junger, queerer Menschen ohne sicheres Zuhause scheint in Wien indes zuzunehmen.
„Ich wusste noch nicht, wie scheiße die Gesellschaft ist“
Sora war einer dieser Menschen und heißt eigentlich anders. Sora ist heute 24 Jahre alt, studiert Architektur in Wien, arbeitet als Studienassistenz, jobbt in der Gastro, ist politisch aktiv, non-binär und trans. Zwei Mal rutschte Sora in die Obdachlosigkeit. Beide Male spielte Queerness eine entscheidende Rolle. Sora stammt aus einem ländlichen Gebiet im Westen Österreichs, dessen genauer Name nicht öffentlich genannt werden soll. Queerness und Trans*identitäten haben dort keinen Platz, vielmehr stellen sie Angriffsflächen dar, also zieht Sora in die Bundeshauptstadt. Dem Umzug folgt ein Outing als Queer, dem Outing eine Trennung von der damaligen Freundin. Sora muss aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, verdient nicht gut und steht plötzlich ohne eigene vier Wände da. Von der Familie gibt es keine finanzielle Unterstützung, solange Sora in Wien bleiben möchte und nicht zurückkehrt. Gleichzeitig soll im Heimatdorf am besten niemand etwas von dem Outing erfahren. Stattdessen raten Soras Eltern ihrem Kind zu einem Besuch beim Dorfpfarrer.
Ein paar Monate lang kommt Sora bei Freund:innen und Bekannten auf der Couch unter. „Das war ein unangenehmes Gefühl der Abhängigkeit. Man kann überhaupt nicht ankommen. Ich habe mich immer gefühlt, als würde ich in diese Räume eindringen und hätte es nicht verdient, hier zu sein“, erzählt Sora von der Phase, bis ein günstiges WG-Zimmer einen Ausweg bietet.
Sora ist mit diesen Erfahrungen nicht alleine. Darauf möchten auch die Sozialarbeiter:innen des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe aufmerksam machen. Ein jährlicher Situationsbericht zeigt mittels Fallgeschichten und Berichten Reformbedarf aus der Praxis der Sozialorganisationen des Verbands auf. Im Bericht 2023 werden queere junge Menschen in den Fokus gerückt, denn sie seien überdurchschnittlich häufig von Armut und Diskriminierung betroffen. Laut Bericht existieren keine gesicherten Zahlen zum Bevölkerungsanteil queerer Menschen im Land und ebenso wenig zur Anzahl derer, die in der Wohnungslosenhilfe Unterstützung bekommen.
Der Anteil queerer Wohnungsloser könnte jedoch gerade im Jugendalter sogar über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen.
Auch Marlene ist trans und auch sie hat Erfahrung damit, wie es ist, plötzlich ohne Zuhause dazustehen. In einem Café im sechsten Wiener Gemeindebezirk wickelt sich die 28-Jährige ihren schwarzen Cardigan um den Körper. Ihre Notsituation hat sie lange Zeit sämtliche Kräfte gekostet, erzählt sie im Gespräch mit ZIMT. Sie sei im Überlebensmodus gewesen. Erst vor kurzem habe sie Zeit und Raum gefunden, sich mit ihrer sexuellen Identität zu beschäftigen und sich als trans zu outen. In ein paar Tagen starte sie eine Hormontherapie im Zuge der medizinischen Transition zur Frau. Früher, erzählt sie, habe sie immer sehnsüchtige Blicke auf die Cardigans von Mädchen geworfen. Für das Interview heute trägt sie selbst einen. Die Freude steht ihr ins Gesicht geschrieben. Bis vor fünf Jahren wohnte Marlene im Caritas-Haus JUCA, wo junge wohnungslose Erwachsene eine Unterkunft finden. Zwei Jahre lang lebte sie dort, heute arbeitet sie selbst als Betreuerin vor Ort.
Schlafplatzsuche in der großen Pause
Wie bei Sora steht auch bei Marlenes Odyssee am Beginn ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie fühlt sich bereits in der Kindheit für die persönlichen Probleme der Erwachsenen verantwortlich gemacht. Als Marlene achtzehn Jahre alt ist, wohnt sie gerade mit ihrer Schwester und ihrer Mutter bei deren Lebensgefährten. Die Beziehung zwischen Marlene und ihrer Mutter zerrüttet sich so weit, dass die beiden schließlich getrennte Wege gehen. Marlene wird klar, dass sie ab jetzt alleine klarkommen muss.
„Die Dinge, die ich wirklich gebraucht habe, habe ich in fünf Rucksäcke gepackt. Die nächsten drei Monate habe ich mir mit Couchsurfing geholfen. Ich habe hauptsächlich bei Schulkolleg:innen geschlafen. Es war eine schwere Zeit, jeden Tag mit mehreren Rucksäcken unterwegs zu sein und immer fragen zu müssen: ‚Kann ich ein, zwei Nächte bei dir schlafen‘“, erzählt sie. Zu diesem Zeitpunkt besucht Marlene die siebte Klasse. Nach einigen Monaten findet sie eine WG außerhalb Wiens. „Da schlugen dann die Depressionen zu“, erinnert sie sich. Die Schülerin verliert die Freude an ihren Hobbys und den Antrieb für den Alltag. Videospiele interessieren sie nicht mehr, genauso wenig wie Besuche im Fitnesscenter. Für den Haushalt fehlt ihr die Kraft: „Ich habe in dem halben Jahr in der WG kein einziges Mal die Bettwäsche gewechselt.“ Sie schläft viel, geht nicht mehr zur Schule. Die WG entpuppt sich schnell als „shady“, wie sie sagt. Nach einem halben Jahr werden alle delogiert. „Das habe ich mit meinen 18 Jahren damals alles absolut nicht einschätzen können. Vor allem, wenn man sich mit diesen Themen zuvor noch nie auseinandersetzen musste und niemanden hatte, der einen unterstützt.“

Auch Sora fehlt es an Unterstützung in Wien. „Ich hab noch nicht gewusst, wie man sich schminkt, hab die femininste Kleidung angezogen, die ich finden konnte und bunte Haare gehabt. Ich hatte kein Passing.” Der Begriff des Passings beschreibt, wie gut eine Person in ihrer Geschlechtsidentität wahrgenommen wird, ohne dass die Trans*identität sofort erkennbar ist. Passing kann also dazu führen, dass eine Person mit den richtigen Pronomen angesprochen oder für cis gehalten wird – oder wie Sora sagt: „Ich hab noch nicht gewusst, wie ich mich gut verstecken kann.“
Nach dem Outing ist Sora auf das Ausmaß der Trans*feindlichkeit in der Gesellschaft nicht vorbereitet: Es folgen queerfeindliche Attacken, die in einem körperlichen Angriff direkt vor der Haustüre gipfeln. Zwei Menschen verfolgen und überfallen Sora. In einem Moment der Ablenkung gelingt die Flucht in die Wohnung. Seit diesem Tag fühlt sich Sora in der Gegend der neuen Wohngemeinschaft nicht mehr sicher, schläft einen Monat lang mit einem Messer in der Hand. „Ich habe keine psychologische Hilfe gehabt. Es war schwer, das zu verarbeiten.” Weitere trans*feindliche Vorfälle im Laufe der nächsten Monate lassen Sora nicht zur Ruhe kommen. Wege aus dem Haus erfolgen nur noch vermummt, der Körper wird bis in die Sommermonate hinein in dicken Jacken versteckt. Sora möchte aus der WG ausziehen, doch für einen Umzug fehlt das Geld. „Ich habe keinen Job bekommen als Trans*person“, erzählt Sora. „Als ich als Mann wahrgenommen wurde, habe ich relativ einfach einen Job gekriegt. Da habe ich zehn Bewerbungen geschrieben und drei Zusagen bekommen. Jetzt ist es leider anders.“
„Mein Vorteil war, dass ich weiß bin, ein Nachteil, dass ich trans bin.“
Laut WWH hallen die emotionalen Folgen von Obdachlosigkeit auch lange, nachdem man eine Wohnung gefunden hat, nach. Viele würden mit schweren psychischen Folgen durch das Erlebte kämpfen. Geldsorgen wirken sich auf Soras mentale Gesundheit auch heute noch aus. Parallel auftretende Belastungen wie Queerfeindlichkeit und Geldnot schränken ein. „Menschen, die trans* sind und mehr Geld haben als ich, haben viel schneller einen Termin für Psychotherapie bekommen, haben Hormone bekommen, haben Zugang zu Ärzt:innen, zu denen ich keinen Zugang habe.“ Wird das Geld knapp, legen sich Stress, Depressionen und Suizidgedanken über Sora: „Ich habe das Gefühl, dass ich dann nichts schaffe.“
Auch Marlene kennt das Gefühl. Sie spricht von Multiplikationsfaktoren. Während ein Problem für Menschen mit festem Wohnsitz lösbar erscheine, wäre es das für wohnungslose Personen nicht mehr. Zeitliche, finanzielle und körperliche Ressourcen fehlen.
Kurz vor der zweiten Wohnungslosigkeit wendet sich Sora an die Türkis Rosa Lila Villa im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Das Haus ist ein LGBTQIA+-Treffpunkt und Wohnort für queere Menschen, bietet Beratung und Events. Für ein bis zwei Monate kommt Sora dort unter, obwohl es keine Dauerlösung ist. Die Wohnungslosigkeit hält Sora vor Familie und Freund:innen aus Angst vor Stigmatisierung geheim, nur die ehemaligen Mitbewohner:innen wissen davon, denn in der WG ließen sich die Probleme und die Depressionen nicht verstecken.
Während Sora in der Villa wohnt, geht die Wohnungssuche monatelang weiter. Dabei stößt Sora wieder auf Trans*feindlichkeit, muss sich immer wieder vor Makler:innen erklären. Wie auch auf dem Arbeitsmarkt sei es Sora früher – als männlich gelesene Person – auch auf dem Wohnungsmarkt einfacher gefallen, Zusagen zu bekommen. „Mein Vorteil in der Wohnungssuche war, dass ich weiß bin, mein Nachteil war, dass ich trans bin.“ Als Sora eine cis Frau zur Wohnungsbesichtigung mitnimmt, klappt es schlussendlich. Sora lässt ausschließlich die Freundin reden, um die eigene Stimme zu verbergen. „Die Wohnung habe ich vor allem deshalb bekommen, weil ich bei der Wohnungsbesichtigung nicht geredet habe. Mein Passing war da. Ich habe mich vorher zwei Stunden lang geschminkt.“
Steigt die Zahl queerer Menschen ohne Zuhause?
Nicht allen gelingt die Wohnungssuche auf eigene Faust. Der Anteil queerer Wohnungsloser scheint in der Wahrnehmung diverser Sozialarbeiter:innen zuzunehmen. Johannes Wahala vermutet dahinter mehrere Gründe. Er ist Psychotherapeut und Leiter der Beratungsstellen Courage, die sich mentale Gesundheit für LGBTQIA+-Personen zum Ziel gesetzt haben. Einerseits sehen die Fachkräfte bei einigen LGBTQIA+-Personen mit Migrationshintergrund deutlich, dass Angst vor dem Outing herrsche. In einigen kulturellen oder religiösen Kontexten fürchten Betroffene, von der Familie nicht nur abgelehnt, sondern verstoßen zu werden. Immer wieder komme es zu Notsituationen bei Jugendlichen, die in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe fremduntergebracht werden müssen. Gleichzeitig zeichne sich in Gesprächen ab, dass die Angst vor politischem Rechtsruck und einer Retraditionalisierung der Gesellschaft unter Jugendlichen zunehme. In Folge steige auch die Angst vor Ablehnung oder Angriffen aus dem Umfeld.
Wichtig sei Wahala zu betonen, dass trans* zu sein kein Trend und keine Modeerscheinung sei, wie immer wieder in der Öffentlichkeit spekuliert würde. „Heute trauen sich einfach viel mehr Trans*personen sich zu outen, weil das Thema aus der Tabuzone gehoben wurde.“ Durch ihre Arbeit bei der Beratungsstelle Courage würden Mitarbeitende aber eine stärkere gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Menschen erkennen, die sich zu einer weiblichen Identität hinentwickeln, als zu einer männlichen. „Trans*mädchen haben es in unserer Gesellschaft eindeutig schwieriger. Wir erleben oft deutliche Ablehnung in der Familie, in der Peergroup, auch in Schulen und Ausbildungsstätten. Wenn sie im Beruf stehen, sind Trans*frauen häufiger von Kündigung und Arbeitslosigkeit betroffen als Trans*männer. Da erleben wir sehr wohl in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von Obdachlosigkeit“, so Wahala.

Notschlafstellen für Obdachlose seien aber nicht auf die Bedürfnisse von LGBTQIA+-Personen ausgerichtet, kritisiert die Arbeitsgruppe Queere Wiener Wohnungshilfe in einem Bericht. Sie fordern entsprechende Schutzräume. „Obwohl ich mittlerweile Sozialarbeiter:innen mit trans* Sensibilisierung kenne, würde ich nicht eine Einrichtung aufsuchen, die nicht explizit für queere Menschen konzipiert ist”, so Sora. Sora habe Angst um die persönliche Sicherheit. Trauen sich Menschen nicht, Angebote der Wohnungslosenhilfe anzunehmen, tauchen sie stattdessen in riskante Situationen der versteckten Wohnungslosigkeit ab.
Ohne Rückzugsort sprießen Ängste
Marlene zieht ebenfalls im Bekanntenkreis ihre Runden. Sie kommt vorübergehend auf der Loggia der Wohnung einer Schulkollegin und ihrer Eltern unter. Die siebte Klasse wiederholt sie zum zweiten Mal. Kurz danach geht es weiter, diesmal ins Dachgeschoss des Hauses, in dem die Lebensgefährtin ihres Großvaters wohnt. Er sucht und findet für sie eine kleine Wohnung, die Marlene zwar annimmt, die aber ihre finanziellen Ressourcen weit übersteigt. Zu diesem Zeitpunkt wiederholt sie die Klasse ein drittes Mal, denn es plagen sie Angststörungen. „Ich wollte meine Wohnung oft nicht mehr verlassen, weil ich Angst hatte, dass etwas passieren könnte. Telefonate habe ich nicht mehr annehmen wollen. Die Jalousien habe ich heruntergelassen.“ Marlenes erste Panikattacke beginnt, als sie gerade in der Straßenbahn sitzt und merkt, dass sie von einer Gruppe lauter Jugendlicher beobachtet wird. Angst macht sich in ihr breit. Reden sie über mich? Schaue ich gerade komisch aus? Panik, Herzrasen, Schweißausbruch. „Ich dachte, dass ich sterbe. Ich dachte, ich habe gerade einen Herzinfarkt.“ Marlene versucht nach diesem Erlebnis, potenzielle Auslöser für ihre Panikattacken zu vermeiden. Sie verschanzt sich in der Wohnung, geht nur noch kurz vor Ladenschluss einkaufen und unternimmt wenig mit anderen Menschen. Belebte Plätze wie Wiener Einkaufsstraßen meidet sie. Panikattacken suchen Marlene nun mehrmals pro Monat heim. Um die regelmäßigen Schweißausbrüche zu verbergen, trägt sie schwarze Kappen, doch der Schweiß läuft ihr trotzdem ins Gesicht.
Nach einem halben Jahr sucht Marlene Hilfe bei einem Wiener Service für Wohnungslose der Caritas. Sie kommt in einem Mehrbettzimmer unter und erhält später einen Einzelraum, in dem sie sich verkriecht – dieses Mal nicht aufgrund der Angststörungen, sondern um endlich ihre Privatsphäre, ihren eigenen Raum ohne weitere Zimmergenossen zu genießen. Eine Psychiaterin des Psychosozialen Dienstes besucht das Haus regelmäßig und unterstützt Marlene, verschreibt ihr Medikamente. Das hilft, es geht ihr besser. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Ressourcen geschaffen werden würden. Für queere, obdachlose Menschen ist es sehr schwer, sich auf lange Sicht zu fangen. Es fehlt an Geld und Therapiemöglichkeiten.”
Während Sora auf öffentlichen Plätzen queerfeindlichen Attacken ausgesetzt war, beobachtet auch Marlene zunächst Schikanen gegenüber schwulen Klienten durch andere Bewohner im Wohnhaus. So hätten Personen etwa betrunken gegen die Tür des Bewohners getrommelt, um ihn aus dem Schlaf zu reißen. Umso schöner findet Marlene die Veränderung, die sie in JUCA in den letzten Jahren gegenüber LGBTQIA+-Personen wahrnimmt. In der Zeit zwischen ihrem Auszug als wohnungslose Person und ihrem Jobantritt im selben Haus liegen fünf Jahre. „In dieser Zeit hat sich so viel verändert, dass man es gar nicht mehr miteinander vergleichen kann“, meint Marlene. Die Veränderung zeige sich an der Umgebung, die Mitarbeitende geschaffen hätten, sowie an einem generellen Umdenken in der Wohnungslosenhilfe, um queeren Personen entgegenzukommen, findet Marlene. In anderen Einrichtungen sieht sie noch Verbesserungsmöglichkeiten, damit mehr queere Menschen den Schritt wagen, Wohnungslosenhilfe in Notsituationen anzunehmen.
Auch die queere Arbeitsgruppe der WWH weist darauf hin, wie schwierig binäre Raumaufteilungen bei Notunterkünften für queere Klient*innen sind. Die Räume seien klar in solche für Männer und Frauen aufgeteilt. Damit hätten es trans*, inter* und nicht-binäre-Klient:innen schwer, Zugang zu Einrichtungen, Tageszentren oder Notschlafstellen zu bekommen. Marlene wünscht sich mehr Schulungen hinsichtlich Queer-Sensibilisierung für Sozialarbeiter:innen. Die binäre Gliederung der Raumaufteilungen sieht sie problematisch.
Sie selbst hat letztes Jahr am Neunerhaus Peer Campus einen Kurs absolviert, bei dem ehemals obdach- und wohnungslose Menschen sechs Monate lang ausgebildet werden, um ihr Erfahrungswissen nutzbar zu machen und andere Betroffene zu unterstützen. Marlene übernimmt jetzt bürokratische Aufgaben, führt Entlastungsgespräche und kümmert sich um die Angelegenheiten queerer Klient:innen. Sie arbeitet daran, dass in der Wohnungslosenhilfe in Zukunft bessere Möglichkeiten für LGBTQIA+-Personen geboten werden. Ihre Freude an Hobbys ist zurückgekehrt.
Auch Sora hofft, nach dem Architekturstudium eine sichere Arbeitsstelle zu finden. So einfach wie früher, werde das nicht sein, befürchtet Sora, bleibt aber optimistisch: „Ich habe aber gelernt, positiv zu bleiben und mich durchzukämpfen.“
Weiterführende Informationen und Beratungsstellen:
Beratungsstellen Courage: https://www.courage-beratung.at/
Türkis Rosa Lila Villa, Queeres Community-Zentrum: https://dievilla.at/
Neunerhaus Peer Campus https://www.neunerhaus.at/ueber-neunerhaus/unsere-arbeit/peercampus/
queermed.at bietet ein crowd-sourced Verzeichnis von sensiblen Ärzt:innen für respektvolle Behandlungen von Menschen in der LGBTQIA+-Szene. https://www.queermed.at/
Quellen
- Forschungsbericht. LGBTIQ+ in der (niederschwelligen) Wiener Wohnungslosenhilfe. 2023. Im Auftrag des Fonds Sozialen Wiens.
https://www.fsw.at/downloads/kundinnenbefragung/2023_Ergebnisbericht-LGBTIQ_WWH.pdf - Positionspapier. Arbeitsgruppe Queere Wiener Wohnungslosenhilfe
https://queerewwh.wixsite.com/positionspapier/about-3 - Podcast „A Fat Queer Feminist“: Gespräch mit Kathi und Sarah über die AG queere Wiener Wohnungslosenhilfe, das Positionspapier und die derzeitige Situation für Queere Wohnungslose Personen
https://www.podcast.de/episode/643189162/13-mit-kathi-und-sarah-ueber-die-ag-queere-wiener-wohnungslosenhilfe-das-positionspapier-und-die-derzeitige-situation-fuer-queere-wohnungslose-personen - Statistik Austria. Wohnen 2023.
https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/Wohnen-2023_Web-barrierefrei.pdf - Situationsbericht Verband Wiener Wohnungshilfe 2023
http://www.verband-wwh.at/Situationsbericht%20VWWH%202023.pdf