Alice – oder wie auch immer sie wirklich heißt
Text: Pia Jungbauer
Collage: Zoe Opratko
„200 Euro ist alles, was Sie brauchen. Eine Person liegt im Sterben.” Teresa liest diese Worte auf ihrem Handy immer und immer wieder. Die Hände der Wienerin zittern. Woher kann sie schnell 200 Euro bekommen, fragt sie sich. Nachdem sie ihrer Freundin bereits eine große Summe überwiesen hat, um die lebenswichtige Operation zu finanzieren, ist das Konto der 26-Jährigen nahezu leer. Kann denn niemand anderer bezahlen, ärgert sie sich kurz, bevor sie die wütenden Gedanken wieder wegschiebt. Für sie ist jetzt keine Zeit, ein Leben steht auf dem Spiel, und was wäre sie für ein Mensch, würde sie dabei nicht helfen?
Eine neue Bekanntschaft
Alice – so nennen wir sie in diesem Text – hat Krebs, zumindest sagt sie das. Doch was Teresa noch nicht weiß: Alice ist keine Freundin, und Teresa fällt gerade auf den wahrscheinlich größten Betrug ihres Lebens herein. Immer wieder schaffen es spektakuläre Fälle von Love-Scamming in die Schlagzeilen. Spätestens seit der Netflix-Doku Tinder Swindler ist diese Form des Betrugs vielen ein Begriff. Täter:innen täuschen romantische oder freundschaftliche Gefühle vor, bauen gezielt, oft
über Monate hinweg, Vertrauen auf und verlangen dann hohe Geldbeträge für dramatisch inszenierte Notlagen, ohne großen Verdacht zu erregen. So beschreibt es das österreichische Bundeskriminalamt.
Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: Fälle schweren Betrugs, also mit Schäden über 5.000 Euro, nehmen zu. Sie finden vor allem online statt, kommen aber auch in persona vor. Wie oft genau, lässt sich schwer sagen. Viele Betroffene bringen die Tat nicht zur Anzeige. Zu groß ist die Scham darüber, auf den Betrug hereingefallen zu sein.
