Ich darf
Mavie Wallner ist freischaffende Künstlerin. „Ich darf“ ist ein Gedicht darüber, wie schwer es ist, eine belastende Familiensituation zu haben, die einen immer wieder einholt.
Gedicht: Mavie Wallner
Foto: Daniel Nuderscher
Ich darf nicht
schnaufen
zwischen den ganzen Stiegen
Darf nicht kurz schauen
ruhen rasten
ich darf nicht
aufräumen zwischen den harten Tagen
den Erfolg genießen
einmal zurückblicken
reflektieren
sagen, etwas gut gemacht zu haben
ich darf nicht das Badewasser einlassen
Badewanne hab ich sowieso keine
Aber auch wenn ich eine hätte, dürft ich nicht
Ich darf nicht mich umdrehen, weiterschlafen
In den Ecken den Staub wegblasen
Ich darf nicht Augenbrauenzupfen vorm Spiegel
Darf nicht alte Geister davonjagen
Darf nicht jung sein
Darf nicht unbedacht sein
Ich darf nicht unrasiert sein
Darf nicht malen
Immer kleiner werd ich noch
Was darf ich eigentlich?
Ich darf für meine Familie hier sein
(aus der Serie “mutterlos”)
Ich bin Mavie, gerade 37 Jahre alt geworden und werde bald zum ersten Mal Mutter. Ich habe gemeinsam mit anderen Künstlerinnen ein Projekt gegründet, das „mutterlos“ heißt. Wir wollen damit Menschen ansprechen, die ohne oder mit wenig mütterlicher oder väterlicher Unterstützung leben und diesen Menschen eine Plattform und Community bieten.
„Ich darf“ ist ein Gedicht darüber, wie schwer es ist, eine belastende Familiensituation zu haben, die einen immer wieder einholt.
Weitere Beiträge
„Ich bin nicht Borderline”: Selene
Als Selene Blut spenden gehen möchte, sieht sie sich mit Diskriminierung konfrontiert. Was hat es damit auf sich?
Der fremde Vater: Clara
Durch Zufall erfährt Clara, dass ihr Vater nicht ihr leiblicher Vater ist. Der Betrug belastet die Beziehungen in ihrer Familie.
Der Wunsch, sich in Luft aufzulösen: Eline
Nach einer schwierigen Kindheit kämpft Eline mit Magersucht und einer Traumafolgestörung mit Dissoziation.