Triggerwarnung
Wenn die Luft zum Atmen fehlt: Sothany
Von der Überlastung zur Panikattacke
Sothany ist 34 Jahre alt und eigentlich aus Deutschland. Vor fünfzehn Jahren ist sie zum Studieren nach Wien gekommen. Seitdem ist sie hier. Manchmal überlegt sie, woanders hinzuziehen. Letztendlich bleibt sie dann aber doch jedes Mal hier. Auch in Wien verändert sich das Leben. Vor einigen Monaten wechselte Sothany ihren Arbeitsplatz. Hin zu Projektmanagement in einem Medienhaus, weg aus dem Konzernbetrieb in einem toxischen Umfeld, in der das Arbeitsklima die Mitarbeiter:innen krank macht. Zu viel Druck aus der Chefetage, toxisches Arbeitsklima, Überforderung. Ihre erste Panikattacke hat Sothany mit etwa 30 Jahren, erzählt sie, während sie in einem lauten Gasthaus sitzt und einen Schluck Tee trinkt. Ernst nimmt sie die Anfälle erst nicht. „Ich dachte: Okay, ich hab gerade einen Nervenzusammenbruch und morgen ist dann alles wieder okay.“ Sothany hält ihre Attacken für ein Zeichen von Schwäche. Für etwas, an dem sie selbst schuld ist. Etwas, wo sie einfach stärker sein muss. Das wird sich ganz von selbst wieder unter Kontrolle bekommen, ist sich Sothany sicher.
Panikattacken ziehen sich über Jahre
Über Jahre hinweg zeigen sich die Panikattacken nur selten. Erst im Jahr 2020, zwischen Corona und Home Office, nehmen sie zu. „Zuerst habe ich schon zwei Tage nach der einen Panikattacke wieder eine weitere bekommen, dann in kürzeren Abständen“, erzählt Sothany zwischen dem Scheppern von Geschirr und lauten Stimmen vom Nachbartisch. „Dann hab ich nach nur ein oder zwei Stunden neue Panikattacken bekommen.“ Und doch nimmt sie die Anfälle nicht ernst. Sothany erledigt ihre Aufgaben, hält die Arbeitszeiten aus, macht sich bereit für die nächsten Zoom-Meetings. „Ich hab die Kamera nicht angemacht und versucht, nicht viel zu sagen.“ Die nächsten Panikattacken folgen. Sothany läuft ins Schlafzimmer, versteckt sich neben ihrem Schrank. Will, dass sie niemand in ihrem Elend sieht, auch der eigene Freund nicht, der zum Glück untertags im Büro ist.
Ärzt:innenbesuch bringt Besserung
Einige Zeit vergeht, dann beschließt Sothany, dass es so nicht weitergeht. In der Praxis ihrer Hausärzt:innen wartet sie eine Weile. Sie ist froh, dass die anderen Patient:innen ihr den Besuchsgrund nicht ansehen. „Wahrscheinlich denken sie, ich hätte eine Erkältung“, beruhigt sie sich. Dann ist Sothany dran. Sie möchte der Ärztin ihr Problem erklären und kommt nicht mehr dazu. Sothanys Kehle schnürt sich zu. „Schnappatmung. Ich fange an zu weinen. Ich vergesse alles um mich herum. Ich bekomme keine Luft mehr.“ Die Ärztin greift ein, stellt ein Glas Wasser und Taschentücher zurecht. Sie stellt Sothany einfache Fragen zu ihrem Tag, um sie abzulenken. Sothany beruhigt sich. „Sie haben gerade eine Panikattacke gehabt“, erklärt die Ärztin. „Haben Sie das in letzter Zeit öfter?“ Sothany nickt. Viel sagen muss sie nicht mehr. „Die Ärztin hat sofort gewusst, worum es geht.“ Sie schickt Sothany zu einer Psychiaterin.
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