Durchgebrannte Sicherung: Sarah

Stress, Kopfschmerzen, Daueranspannung – der Weg in den Burnout war schleichend. Erst als nichts mehr geht, beginnt Sarah, ihr Leben neu zu ordnen.

Text: Sarah Vaclav
Foto: Kristian Achtsnith Collage: Karina Grünauer / ZIMT Magazin / Magic Media/Canva AI

Datum: 17. Juni 2025
Sarah im Burnout

„Ich kann nicht mehr, aber…“ – Dieser Satz war mein persönliches Mantra, das mich direkt in ein Burnout manövriert hat. Es war mir nicht mehr möglich, abzuschalten; mein „innerer Turbo“ lief auf Hochtouren. Das Gehirn lief heiß, brannte langsam aus – als würden die neuronalen Leitungen glühen, kurz davor, Feuer zu fangen, alle Sicherungen durchzubrennen. Ich hatte durchgehend starke Kopfschmerzen, war energielos, konnte mich kaum mehr konzentrieren, war innerlich ständig unruhig und konnte nicht mehr abschalten. Ich war mürrisch und leicht abzulenken.

Verwunderlich finde ich es nicht, dass ich mich damals so fühlte. Der Dauerleistungsmodus treibt uns ja bis zur Erschöpfung an.

Wir laufen nur mehr in Eile von links nach rechts, arbeiten ab, was abzuarbeiten ist, fühlen uns angetrieben – weder Hirn noch Herz sind im Rhythmus. Aber wir machen trotzdem weiter.

Wir leben in einer Welt, in der nun mal nur der Erste, Schnellste und Beste absahnt – und alle anderen auf der Strecke bleiben. Genau so fühlt es sich für mich an.

Immer erreichbar, nie genug: Wie Stress und Leistungsdruck krank machen

Ich hatte das Gefühl, mit hundert Bällen gleichzeitig zu jonglieren, und wusste: Ich darf nicht nachlassen. Ich bin Autorin und Coach, arbeite ständig mit vielen Menschen, versuche, sie daran zu erinnern, wer sie tief im Wesenskern sind. Ich helfe meinen Klient:innen, sich einer Schreibblockade oder einer tiefgreifenden Veränderung zu stellen, ein Drehbuch zu verfassen oder ihre Texte zu überarbeiten. Und während ich anderen Halt gab, wollte ich stark sein für die Menschen, die sich auf mich verlassen – und denen ich mit meiner Energie ein Vorbild sein wollte. Ich war überzeugt: Ich kann es mir nicht leisten, nachzulassen. Das hätte für mich bedeutet, zu scheitern – und dass sich meine Kund:innen vielleicht nach jemand anderem umsehen. Es wäre der Beweis gewesen, dass es auch ohne mich geht. Und genau das war meine größte Angst: alles zu verlieren.

Also musste ich dauernd erreichbar sein, rasch auf jede Mail reagieren, damit mir niemand zuvorkommt. Ich sagte „Ja“ zu jedem Auftrag – und irgendwann hatte ich 80 Aufträge im Monat. Um das zu schaffen, hätte ich 20 Stunden am Tag arbeiten müssen. Doch obwohl Hirn und Herz längst nicht mehr konnten, hielt ich das Gaspedal durchgedrückt. Bis es dann eben nicht mehr ging – genauso wie bei vielen meiner Klient:innen, die tagtäglich zu mir in die Praxis kommen.

Kopfschmerz, Erschöpfung, innere Leere – und der Moment der Erkenntnis

Wenn mir Klient:innen von ähnlichen Sorgen erzählen, erinnere ich mich an meine eigenen Erfahrungen zurück. Ich weiß genau, wie sich dieser innere Motor anfühlt – wie es ist, sich hinzulegen und trotzdem gedanklich die „To-do“-Liste durchzugehen, obwohl man sich fest vorgenommen hat, sich diesmal wirklich eine Stunde Ruhe zu gönnen.
Die Gedanken kreisen ständig um das, was noch zu tun ist: Wen sollte man noch anrufen? Welche Mails sind offen? Was muss für morgen vorbereitet werden, um mehr Zeit freizuschaufeln – nur, um sie gleich wieder mit neuen Aufgaben zu füllen? Man kommt einfach nicht mehr hinterher.

Aber wer erledigt unsere Aufgaben, wenn nicht wir selbst? Wer zahlt die Rechnungen? Wer garantiert, dass niemand kommt und dir den Job streitig macht? Und was tun, wenn scheinbar alle erwarten, dass du an deine Grenzen gehst – weil sie etwas von dir brauchen und es für selbstverständlich halten? Deine Chef:innen? Deine Familie? Die besten Freund:innen? Deine Kund:innen? Die Gesellschaft?

So kam es mir vor: alle mit ihrem persönlichen Timer, ständig am Takten, ob ich eh nicht zu lange brauche. Jede:r wollte, dass ich sofort springe, um für sie da zu sein, während mein eigenes Leben auf Pause bleibt. Ich meine damit zum Beispiel Freund:innen, die erwarteten, dass ich sofort komme und helfe; Kund:innen, die auf eine umgehende Mailantwort pochten; Familienmitglieder, die fanden, es sei meine Pflicht, als Verwandte:r zum Besuch zu erscheinen; oder Kund:innen, die mich unzählige Male daran erinnerten, wie wichtig es ihnen sei, dass sie eine Deadline am besten zwei Wochen früher fixieren.

Schon bald zeigten sich bei mir die stärksten Kopfschmerzen, die man sich vorstellen kann. Ich beschrieb sie meiner Familie damals wie das Klopfen eines Spechts, der versucht, sich aus meinem Kopf in die Freiheit zu hämmern. Den ganzen Tag lang – schleichend begonnen – wurden die Kopfschmerzen bald zu meiner ständigen Begleitung. Es war der Horror.

Pausen statt Perfektion: Mein Weg aus dem Burnout zurück ins Leben

Aber ich habe etwas sehr Interessantes bemerkt: Immer dann, wenn ich wirklich etwas getan habe, das ich liebe – wenn ich ganz im Moment war –, verschwanden die Kopfschmerzen. Bei mir bedeutete das: in ein gutes Buch eintauchen oder einen Film im Kino ansehen. Nur dann hatte ich Energie. Ansonsten fühlte es sich an, als hätte jemand einen Staubsauger an mich angeschlossen, der mir die letzte Kraft absaugte. Ich war schlapp, müde, mürrisch, genervt, gehetzt und frustriert. So war ich – obwohl ich eigentlich ganz anders bin. Und auch nicht so sein wollte.

Nach dem Burnout bleibt Sarahs Schreibtisch auch mal leer.

Seit dem Burnout bleibt Sarahs Schreibtisch auch einmal leer.

Was also tun?

Vielleicht ist es die neoliberale Gesellschaft, die dafür sorgt, dass so viele von uns ausbrennen. Aber wir sind es, die Stopp sagen können. 

Ich habe genau das getan. Ich habe begonnen, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen – und mich all den gefürchteten Gesprächen mit Freund:innen, Kolleg:innen, Familienangehörigen zu stellen. Ich konnte meinen Kund:innen, meinem Umfeld und meiner Familie klarmachen: Niemand hat etwas davon, wenn ich ausbrenne. Deshalb habe ich ein neues Mantra entwickelt: Ich gehe oft über meine Grenzen – aus Angst, etwas zu verlieren. Aber wenn ich mich nicht um mich selbst kümmere, verliere ich erst recht.

Denn meine Energie reicht für einen Sprint, aber nicht für einen Marathon. Ich kann für eine Weile 200 Prozent geben – aber danach ist der Tank leer. Und die Zeit, die ich brauche, um ihn wieder aufzufüllen, kostet mich am Ende mehr, als ich mit diesen 200 Prozent hätte aufholen können.

Heute höre ich auf meinen Körper. Ich merke, wenn mein Energietank zur Neige geht, wenn der Kopfschmerz beginnt, wenn ich wieder energielos aufwache. Ich mache bewusst Pausen und zwar dann, wenn ich merke, dass ich sie brauche, und nicht erst dann, wenn ich nicht mehr kann.

Ich habe meine To-do-Liste neu gedacht. Ich habe notiert, was mir wirklich wichtig ist: Bewegung, Spaziergänge, Meditation, erholsamer Schlaf. Ich habe begonnen, mir tägliche Zeitinseln nur für mich einzuplanen – und sie konsequent einzuhalten.
Heute arbeite ich nicht mehr zwölf Stunden ohne Pause, sondern vier. Ich schlafe acht Stunden – nicht drei. Ich habe Ruhe gefunden. Ich gestalte mein Leben bewusster. Und ich genieße es.

Wichtig: Burnout ist kein persönliches Versagen – sondern ein Warnsignal deines Körpers. Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Hilfe bei Erschöpfung, Stress und Burnout-Gefühl

Du fühlst dich dauerhaft überfordert, leer, müde – und weißt nicht mehr weiter? Du bist nicht allein. Hier findest du kostenlose und vertrauliche Anlaufstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Deutschland

🔹 Telefonseelsorge (rund um die Uhr, anonym & kostenlos)
📞 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222
💬 Chat & Mail-Beratung: www.telefonseelsorge.de
🔹 Deutsche Depressionshilfe
Infos zu Burnout, Depression, Selbsttests & Hilfe
🌐 www.deutsche-depressionshilfe.de
🔹 Psychologische Beratung & Therapieplatzsuche
Über deine Krankenkasse oder www.kbv.de

Österreich

🔹 Telefonseelsorge (24/7, anonym & kostenlos)
📞 142
💬 Onlineberatung: www.telefonseelsorge.at
🔹 psychosoziale Beratung (kostenlos in jedem Bundesland)
📍 Suchbegriff: „Psychosozialer Dienst + Bundesland“
z. B. www.psd-wien.at für Wien
🔹 Psychotherapie-Suche (ÖBVP)
Therapeut:innen nach Thema, Ort und Kassa filtern
🌐 www.psychotherapie.at

Schweiz

🔹 Selbsthilfegruppen Schweiz
🌐 selbsthilfeschweiz.ch
🔹 Therapeut:innen-Suche Schweiz
🌐 psyfinder (Föderation Schweizer Psycholog:innen)

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